“Die Mühlen Des Kontexts: Über Christion Philipp Müller Im Museum Für Gegenwartskunst, Basel” (2007)

Von: Texte zur Kunst 17, no. 65 (March 2007): 213–218.

- André Rottmann

Kontextspezifische Kunst gilt nicht gerade als bevorzugtes Format des Kunstbetriebs- adressieren solche Arbeiten im Rückgriff auf Recherchemethoden doch oftmals im verborgen liegende Mechanismen etablierter Strukturen- so zum Beispiel die des Museums. Christian Philipp Müller vermittelt in seinen Arbeiten allerdings gleichermaßen eine humorvolle Distanz. Seinen umfangreichen Untersuchungen zu "Museum und Müll" ist ebenso eine ironische Dimension eigen wie dem Projekt "Porträt des Museums als ein Stuhl. Typologie der 54 Stuhlsorten im National Museum of Art, Osaka."

In Basel ist Müller nun eine retrospektive Ausstellung gewidmet, die die klassische Rückschau auf eine Künstlerlaufbahn dahingehend überschreitet, als dass einerseits eine neue ortsspezifische Arbeit entstanden ist, andererseits das Format der Retrospektive in der Präsentation selbst thematisch wird. An dieser Stelle über die Basler Retrospektive von Christian Philipp Müller zu schreiben, lässt einen Rückblick auf die auch in dieser Zeitschrift geführten Diskussionen um kontextuelle Kunst und deren Konsequenzen für eine aktuelle Zustandsbeschreibung des Kunstfelds unvermeidlich erscheinen. So hatte die Gründung von Texte zur Kunst 1990 unter anderem zum Ziel, einem spezifischen Segment der Kunstproduktion der frühen neunziger Jahre einen historischen wie theoretischen Rahmen zu geben. Die Praktiken von Künstler/innen wie zum Beispiel Andrea Fraser, Clegg & Guttman, Renee Green, Thomas Locher, Fareed Armaly, Mark Dion und Christian Philipp Müller -- dessen grafischer Entwurf das Erscheinungsbild von Texte zur Kunst bis 1998 prägte -- standen damals ungeachtet ihrer unterschiedlichen Arbeitsweisen für den Versuch, die methodologischen Prämissen und Werkentwürfe der Konzeptkunst und Institutionskritik der sechsziger und siebziger Jahre auf der Grundlage von soziologischen wie historiografischen Modellen von Recherche, einem erweiterten Verständnis von Ortsspezifik und feministischen, identitätspolitischen und postkolonialen Diskursen zu aktualisieren. Es wurde eine neue Avantgarde ausgerufen, die im Rahmen von zum Teil in Gruppenzusammenhängen organisierten Projekten die Bedingungen der Produktion wie Rezeption künstlerischer Praxis zum Thema machte und damit einhergehend eine performative Neudefinition künstlerischer Kompetenz jenseits traditioneller Zuschreibungen propagierte - das Künstlersubjekt als Kritiker, Kurator, Museumsführer und Vermittler bis hin zum Historiker, Ethnografen und Stadtteilarbeiter trat auf den Plan.

Dieses Versprechen eines kollektiven Aufbruchs musste gemessen an den hohen Erwartungen fast zwangsläufig enttäuscht werden. In seinem in dieser Zeitschrift publizierten Text „Unter Geiern. Kontext-Kunst im Kontext” stellte Stefan Germer schon 1995 fest, dass bereits die Annahme der Existenz einer kritischen Öffentlichkeit als Adressaten von orts- und kontextspezifischer Praktiken sich auf einen Idealismus stütze, der nur als die andere Seite des Glaubens an die Autonomie der Kunst zu verstehen sei; gerade anhand von Arbeiten, die von Institutionen initiiert wurden, die sich selbst als legitime Nachlassverwalter konzeptueller Kunst verstehen, wurde ersichtlich, wie schmal der Grat zwischen Kritik und Affirmation in kontextspezifischen Projekten sein konnte und dass im Auftrag erfolgende Kritik allzu leicht funktionalisiert werden kann.[1] Ebenso selbstkritisch wie diskursstrategisch monierte Germer, dass Kuratoren und Sammler das Projekt einer politisch orientierten Kunstpraxis zunehmend usurpiert und deren gesellschaftliche Relevanz in Folge desavouiert hätten.' Besonders der Umstand, dass künstlerische Arbeiten, die in Auseinandersetzung mit einem Außen -- d. h. mit den realen ökonomischen, institutionellen, historischen und politischen Bedingungen eines Ortes -- entstanden waren und ihr Material und ihre Legitimation aus diesem spezifischen Kontext der Intervention bezogen, inzwischen im Rahmen von Privatsammlungen präsentiert wurden (und darin tendenziell als Ausweis für den Geschmack und die Intelligenz des Sammlers firmierten), ließ Germer die Frage stellen, was zu tun sei, wenn Kontextkunst de- und rekontextualisiert wird und sie "nicht länger als Aktualität, sondern als Erinnerung" erscheint.[2]

Vor dem Hintergrund solcher Debatten stellt das Format der Retrospektive, in dem nach Andrea Fraser im Kunstverein in Harnburg 2003 nun im Museum für Gegenwartskunst in Basel auch Christian Philipp Müller eine überblicksschau gewidmet ist, auf den ersten Blick den logischen Widerpart zu den ortsspezifischen Werkentwürfen kontextueller Kunst dar: Die monografische und chronologische Präsentation eines Künstlers oder einer Künstlerin setzt schließlich voraus, dass Arbeiten gemäß dem Prinzip des Museums dem Kontext ihrer Entstehung enthoben sind und die in den Arbeiten hergestellten Bezugnahmen auf die Geschichte eines Orts, einer Institution etc. folglich selbst zum Gegenstand einer (kunst)historischen Rekonstruktion durch ein Publikum werden, das sich im Zweifelsfall von der eigentlich adressierten oder sogar aktiv partizipierenden Öffentlichkeit stark unterscheidet.

Kontroversen um die politischen Implikationen ortsspezifischer und kontextabhängiger Kunst in der Spannung zwischen Marktkonformität und kunstkritischer Inanspruchnahme erscheinen inzwischen selbst als Teil einer Historiografie der Neunziger. Unter den heutigen Bedingungen einer zunehmend korporative Züge aufweisenden Kunstwelt, eines notorisch theoriefeindlichen Marktes und der Rolle, die Verfahren der site specificity und Institutionskritik gleichzeitig im Zusammenhang mit den administrativen Rhetoriken von "artistic research" und "knowledge production" in Akademie-Programmen und auf dem Parallelmarkt von Biennalen und Manifestas zukommt, erscheint es aber umso dringlicher, an der Möglichkeit einer reflexiven Praxis von Ortsspezifik festzuhalten. Angesichts der Konvergenzen, die sich seit längerem zwischen neoliberaler Deregulierung und den flexibilisierten Arbeitsverhältnissen in den Projektökonomien so genannter creative industries und den in der Kontextkunst programmatisch eingesetzten Begriffen von Performativität, Forschung und einem an Informations- und Netzwerkmetaphern angelehnten Ortverständnis abgezeichnet haben, hat sich die Ausgangslage für die Bewertung solcher Praxisformen allerdings gewandelt: Nicht länger kann die "Aktualität" eines künstlerischen Eingriffs der Maßstab von Kritik sein, sondern sind Formen der reflexiven " Erinnerung" selbst als entscheidendes Moment einer kritischen Ortsspezifik zu begreifen -- und dies nicht im Sinne einer nostalgischen Rückbesinnung, sondern mit dem Ziel der Verdeutlichung einer anhaltenden Relevanz unter veränderten Bedingungen.

Für die Retrospektive von Christian Philipp Müller hat der Kurator Philipp Kaiser eine repräsentative Auswahl getroffen, die sich überwiegend auf Projekte zwischen 1990 und 1997 konzentriert und thematische Schwerpunkte setzt. Neben die Performativität von Rollenbilder betonenden Arbeiten wie „Kleiner Führer durch die ehemalige Kurfürstliche Gemäldegalerie Düsseldorf“ (1986), „Carl Theodors Garten in Düsseldorf-Hellerhof“ (1986), „Tour de Suisse“ (1994) und „Monsieur Muller” (1997), in denen der Schweizer Künstler als Museumsführer, Vermittler von Lokalhistorie, Kulturtourist und umherirrende Reinkarnation von Tatis Monsieur Hulot auftritt, sind Müllers Arbeiten zur Dialektik von Universalistischen Utopien des Modernismus -- wie sie sich etwa in Le Corbusiers Architektur und Designentwürfen manifestieren -- und der Partikularität sexueller Identität zu sehen. Ein herausragendes Beispiel dafür ist das mehrteilige Projekt "Vergessene Zukunft" (Kunstverein München, 1992), in dem neben den urbanistischen Visionen von Le Corbusier die konkrete Poesie von Edgard Varese und Nicolas Schöffers Sexualhygienik mit dem homophoben Film „Anders als Du und ich“ von Veit Harlan aus dem Jahr 1957 in Beziehung gesetzt wurden. Dabei handelte es sich um ein komplexes Gefüge, in dem Ausstellungsdisplay, dokumentarisches Material und der gemeinsam mit Madeleine Bernstorff produzierte Trailer "Das dritte Geschlecht" einen Kommentar auf die Ambivalenz (spät) moderner Entwürfe eines zukünftig besseren Lebens ergaben, die man heute wohl auch unter dem Begriff der Biopolitik diskutieren würde. In Basel wurde diese Arbeit über einen auch damals gezeigten Kino-Schaukasten zur zeitgenössischen Rezeption von Harlans Film, eine Publikation Müllers und das Video vermittelt.

Auch sind Müllers Beiträge zur Biennale von Venedig 1993 und zur documenta X 1997 in Teilen reinstalliert worden: Für das als Beitrag zum Österreichischen Pavillon entstandene Projekt mit dem Titel "Grüne Grenze" passierte Müller achtmal illegal die Grenzen Österreichs zu seinen Nachbarländern und schuf in Fotografien, literarischen Reisenotizen, historischen Landschaftsveduten sowie einem kreisrunden Holztisch, der zugleich als Tortendiagramm der Holzarten Österreichs fungierte, eine Allegorie auf die Beziehung zwischen Tourismus, Migration und einem nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wieder erstarkendem Nationalismus und schloss dabei an Hans Haackes institutionskritische Analysen auf Grundlage botanischer Taxonomien und ökologischer Systeme an.

In "Balanceakt" nahm Müller den Platz vor dem Fridericianum in Kassel zum Ausgangspunkt einer kritischen Rekonstruktion der Spuren der Kunstprojekte im öffentlichen Raum, die Walter de Maria mit seinem „Vertikalen Erdkilometer” (1977) und Joseph Beuys mit seinen „7000 Eichen" (1982) jeweils im Auftrag der Documenta-Leitung durchgeführt haben. Mittels Archivmaterials, Zeitungsberichten und Dokumentaraufnahmen erstellte Müller dabei einerseits ein archäologisches Konvolut, in dem sich die Geschichte des Friedrichsplatzes als eine palimpsestartige Ablagerung verschiedenster Nutzungen und Eingriffe offenbarte, und thematisierte in der dilettantischen Performance eines Balancekünstlers, der auf einem direkt auf der Erde aufliegenden Seil die Strecke zwischen Walter de Marias in der Erde verschwundenem Stahlrohr und Beuys' Eichen abschreitet - unter Zuhilfenahme eines Balancestabs, der zu gleichen Teilen aus Stahl und Holz bestand und wie das Video der Performance Teil der Installation auf der „dX” wie auch in Basel war, die Tücken ortsspezifischer Auftragskunst in der Spannung von historischer Bezugnahme und zukünftiger Rekonstruktion.

Arbeiten wie diese machen deutlich, dass sich die kontextgebundene und auf dem Modell nicht-akademischer Recherche basierende Praxis von Christian Philipp Müller von Beginn an dadurch ausgezeichnet hat, ihre eigenen historischen Voraussetzungen zu reflektieren. Die „faktographische Erzählweise”[3] Müllers lässt sich dementsprechend als eine Form der Historiografie bestimmen, die mit Daten und Informationen operiert, mittels derer die Spezifika eines Ortes in der Ungleichzeitigkeit seiner politischen wie ästhetischen Bestimmungen adressiert werden können, immer aber auch allegorische und performative Elemente in Stellung gebracht sind, die es erlauben, die eigene Position als Künstler in Bezug auf vorangegangene Subjekt- und Werkentwürfe zu akzentuieren. Diesem Vorgehen ist auch Müllers Retrospektive verpflichtet. Dass nach 1997 entstandene Projekte Müllers in der Ausstellung - mit Ausnahme einer neuen Arbeit -- nicht gezeigt werden, muss nicht zwangsläufig als selbstkritische Geste des Künstlers bezüglich jüngerer Tendenzen einer mitunter reflexhaft wirkenden bloßen Verwaltung kontextueller Verfahren gedeutet werden, erweist sich aber als überaus produktive kuratorische Entscheidung. So nutzt Müller das Medium der Retrospektive neben einer selektiven Präsentation seiner wichtigsten Arbeiten zu einer oftmals ironisch gebrochenen Reflexion der übersetzungsleistungen, die mit der erneuten Ausstellung von kontextgebundenen Projekten im Museumsraum einhergeht. Paradigmatisch in diesem Zusammenhang ist die Art und Weise, in der das Brüssler Ausstellungsprojekt „Feste Werte“ (1991) in Kombination mit einer Arbeit aus demselben Jahr gezeigt wird, die ebenfalls Bestandteil des damaligen Projekts im Palais des Beaux-Arts war und die Müller als sein erstes Werk bezeichnet: „Two Important Dates in My Life” besteht aus zwei monochromen Leinwänden unterschiedlichen Formats. Auf der kleineren ist mit Reverenz an On Kawaras Tagesbilder (die wie Arbeiten der Land Art von Walter de Maria und Michael Heizer in unmittelbarer Nähe als Teil der permanenten Sammlung des Basler Museums zu sehen sind) in weißer Schrift vertikal angebracht und vor blauem Hintergrund Müllers Geburtsdatum zu lesen („2.NOV.1957”), während auf dem größeren, dunkelbraunen Gemälde der Platz zum Eintragen des Sterbedatums freigehalten ist. In demselben Raum ist eine an Broodthaers' museologische Anordnungen der siebziger Jahre erinnernde Vitrine aufgestellt (sie steht wie in einem Fotostudio auf und vor einer an der Decke befestigten weißen Papierbahn mit dem Titel "Sich vordrängender Hintergrund" (1991) , der den musealen installation shot bereits zu antizipieren scheint und darin die Bedeutung der fotografischen Dokumentation für Praktiken wie die Müllers betont). In der Vitrine liegen von Müller gesammelte seltene Gegenstände (u. a. ein Hut, Schuhe, Eintrittskarten), die als Frühwerk des Künstlers in Brüssel zur Auktion angeboten wurden. In einer Schachtel war damals die Titelseite des BielerTagblatts vom 2. November 1957 zu sehen. In Basel liegt an dieser Stelle jetzt die Basler Zeitung vom 12. Januar 2007, wodurch der Verweis auf einen Aufbautag eine Woche vor der Eröffnung an die Stelle von Müllers Geburtsdatum tritt- eine bewusst arbiträr wirkende Setzung, die auf die existenzielle Bedeutung musealer Weihen für die Laufbahn eines Künstlers ebenso hindeutet wie auf die Dialektik von Aktualisierung und Rekonstruktion im Format der Retrospektive.

Die Frage der Musealisierung der eigenen Praxis wird schließlich von Müller in dem für die gesamte Ausstellung Titel gebenden Projekt „Basics (I und II)” (2007) selbst verhandelt, das eigens für die Retrospektive entwickelt wurde. In ihr verbindet Müller den lokalhistorischen Kontext des Museums für Gegenwartskunst im St.-Alban-Tal mit einer Archäologie obsoleter Medien und mobilisiert damit einhergehend die klassische Dialektik von Ausstellungs- und Gebrauchswert. Dabei wird die benachbarte Basler Papiermühle des „Schweizerischen Museums für Papier, Schrift und Druck”, in dessen Lumpenkeller unter dem Titel „Drucksachen” die gesammelten Kataloge des Künstlers in einer Vitrine ausgestellt sind (außerdem sind im „plugin Medienzentrum” von Müller viele Regalmeter ausrangierter Computer aufgereiht worden), zum Ausgangspunkt einer ortsspezifischen Erkundung. Im Mittelpunkt steht der Zusammenhang zwischen dem idyllischen Schauwert überkommener Kulturtechniken, für den das Wasserrad am Papiermuseum in seinen nostalgischen Konnotationen (die sprichwörtliche klappernde Mühle am Fluss) paradigmatisch einsteht, und der architektonischen Situation des Museums, das 1980 als erstes in Europa ausschließlich der Gegenwartkunst gewidmet war. Im Zentrum des großen, abgestuften Raumes im Erdgeschoss, den man schon vom Eingang des Museums überblickt, hat Müller eine Replik des hölzernen Wasserrads positioniert, dessen Rekonstruktion aus dem Jahre 1980 die Mühle des historischen Papiermuseums antreibt, und es in die Horizontale gekippt, wodurch eine Skulptur entsteht, die entfernt an Haackes „Standort Merry-go-round“ für die Skulptur Projekt Münster 1997 erinnert und phänomenologische Wahrnehmungsmodelle aufruft - ihre obere Öffnung ist nur von der Balustrade des ersten Stockwerks einzusehen und ihre Abmessungen lassen sich ausschließlich in der Bewegung erfassen. Weitere Bestandteile der raumgreifenden Installation sind die Kopie eines geflochtenen Wäschekorbs, in dem traditionellerweise Lumpen zur späteren Papierherstellung gesammelt werden, ein Inventar der Buchbestände des Papiermuseums und eine an die Wand montierte „Wasserbar” mit gefüllten Karaffen und Gläsern, die jeweils mit dem Schriftzug "Basler Trinkwasser" versehen sind. Daneben gibt es drei Leuchtkästen an der Wand, in denen von Müller selbst in der Mühle handgeschöpfte Papiere zu sehen sind, auf denen Konstruktionspläne, eine historische Stadtansicht Basels und die Internetadresse des Künstlers jeweils vom Wasserzeichen des Mühlenrads überlagert werden. Insgesamt ergibt sich so eine Installation, deren einzelne Bestandteile ein komplexes Verweissystem auf die ökonomischen wie ökologischen Systeme und medienarchäologischen Dimensionen des Alban-Tals etablieren und auch den Ort des Museums in diese einspannen, dessen alter Gebäudeteil zum einen eine ehemalige Papierfabrik ist; zum anderen speist eine der beständig metonymisch evozierten Wasserquellen des Tals die Klimaanlage der Räume, in denen die ohnehin technisch überholten manuellen Gebrauchsgegenstände nochmals ihrer Funktion beraubt werden, um für sie den Status des Kunstwerks reklamieren zu können.

Die Bezüge, die Christian Philipp Müller in „Basics” zwischen manueller Produktion, künstlerischer Arbeit und den Parametern immaterieller Produktion (gebunden an Informatisierung, Kommunikation, Kreativität und Anpassungsfähigkeit an sich ändernde Arbeitsbedingungen) anhand eines lokalen Kontexts herstellt, verdichten sich zu einer Aktualisierung ortsspezifischer Verfahren im Modus der Erinnerung. Die Museumsschau wird zum Ort und Anlass, historisches Wissen in konzeptuellen Werkentwürfen zu vermitteln, die dokumentarische Verfahren, Typografie, Fotografien, Film, Skulptur und Ausstellungsdesign zum Einsatz bringen, um eine kritische Praxis vorzustellen, die sich den Anverwandlungen der mit dem Label „Kontextkunst” belegten Verfahren in postfordistischen Projektökonomien und Biennalen- Kultur sehr bewusst ist - in der Dimension des Obsoleten aber einen Raum der Reflexion eröffnet, in der das Erbe ortsspezifischer Methoden keinesfalls einer bald schon "vergessenen Zukunft" übergeben werden muss.

Christian Philipp Müller, "Basics", Museum für Gegenwartskunst, Basel, 19. Januar bis 15. April 2007.

Anmerkungen

  1. Stefan Germer, "Unter Geiern. Kontext-Kunst im Kontext", in: Texte zur Kunst, Heft 19, 1995, S. 82-95.

  2. Vgl. ebd., S. 94 f.

  3. Vgl. George Baker, "Lies Damn Lies, and Statistics. The Art of Christian Philipp Müller", in: Artforum, Februar 1997, S. 74-77. 109 f.